Maschinen, Anlagen und Betriebsausstattung haben nach ihrer Erstnutzung oft ein zweites Leben. Ob Leasingrückläufer, Insolvenzware, Überschussbestände oder Liquidationen auf dem sogenannten Sekundärmarkt bzw. Gebrauchtmarkt werden jedes Jahr beträchtliche Werte bewegt. Für viele ist das ein unsichtbarer Teil der Wirtschaft, für einen Sachverständigen jedoch eine zentrale Informationsquelle, wenn es um die Ermittlung realistischer Verkehrswerte und Liquidationswerte geht.
Ziel dieses Beitrags ist es, ein Grundverständnis dafür zu schaffen, wie dieser Markt funktioniert, welche Einflussfaktoren er hat und wie er in die tägliche Bewertungspraxis einfließt. Natürlich gibt es Ausnahmen, denn jeder Markt, jede Branche und jedes Objekt hat seine Eigenheiten.
Was überhaupt zum Gebrauchtmarkt gehört
Zum Gebrauchtmarkt zählen sämtliche Objekte, die sich nach ihrer ersten Nutzung oder Eigentumsphase erneut am Markt befinden. Dazu gehören unter anderem:
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Betriebsauflösungen oder Standortschließungen
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Insolvenzware aus Unternehmensabwicklungen
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Leasingrückläufer nach Ablauf der Vertragslaufzeit
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Maschinen und Anlagen aus Rückbauten oder Produktionsumstellungen
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Überschussbestände nach Modernisierungen
In den letzten Jahrzehnten hat der Gebrauchtmarkt für Maschinen und Anlagen deutlich an Bedeutung gewonnen. Viele Unternehmen kaufen heute gezielt gebrauchte Maschinen, weil sie schneller verfügbar und meist kostengünstiger sind.
Gerade in Zeiten von Lieferengpässen, etwa während der Corona-Pandemie, ist die Nachfrage nach Gebrauchtanlagen stark gestiegen. Das hat den Markt zusätzlich belebt und dazu geführt, dass der Gebrauchtsektor in vielen Branchen mittlerweile als fester Bestandteil der Investitionsstrategie gilt.
Auch das Thema Nachhaltigkeit spielt dabei eine immer größere Rolle. Gebrauchte Maschinen zu nutzen oder weiterzuverkaufen bedeutet, Ressourcen zu schonen, Produktionsenergie zu sparen und die Lebensdauer technischer Anlagen zu verlängern. Viele Unternehmen achten heute stärker auf ihren ökologischen Fußabdruck und der Gebrauchtmarkt trägt dazu bei, wirtschaftliche und ökologische Ziele in Einklang zu bringen.
Wie der Sekundärmarkt funktioniert
Der Gebrauchtmarkt ist äußerst vielschichtig. Hier treffen verschiedene Akteure und Vertriebswege aufeinander: Händler, Auktionshäuser, Leasinggesellschaften, Banken, Insolvenzverwalter:innen, Exporteure und Endkunden.
Je nachdem, wo und an wen verkauft wird, können die Ergebnisse stark variieren. Ein Verkauf an einen Endkunden bringt oft höhere Erlöse, ist jedoch mit mehr Aufwand, Wartezeit und manchmal rechtlichen Risiken verbunden. Ein Händler kauft in der Regel mit Abschlägen, weil er Risiko, Transport und spätere Vermarktung übernimmt. Auktionshäuser bieten Markttransparenz und Reichweite, verlangen jedoch Provisionen und erfordern gute Vorbereitung.
Zudem gibt es heute eine Vielzahl spezialisierter Plattformen für bestimmte Branchen. Maschinen aus der Metallbearbeitung, Drucktechnik, KFZ, Landmaschinen, Büroausstattung oder sogar Luxusgüter wie Uhren, Taschen und Kleidung. Für nahezu jede Kategorie existieren eigene Märkte und Zielgruppen.
Strategie: Alles auf einmal oder lieber trennen?
Gerade bei größeren Betrieben ist die strategische Entscheidung entscheidend, wie man verwertet. Soll alles gemeinsam an einen Händler gehen oder lohnt es sich, die Objekte zu trennen?
Natürlich ist es bequem, alles auf einmal zu verkaufen. Das spart Zeit und organisatorischen Aufwand. Auf der anderen Seite kann diese Bequemlichkeit aber auch Geld kosten. Oft erzielt man durch eine gezielte Trennung der Warengruppen deutlich bessere Ergebnisse.
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Büroausstattung und Möbel lassen sich über regionale Plattformen oder lokale Verwerter absetzen.
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Fahrzeuge können über spezialisierte Händler oder Plattformen verkauft werden.
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IT- und EDV-Equipment finden bei spezialisierten Wiederverkäufern oder Remarketing-Firmen Abnehmer.
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Maschinen und Anlagen lassen sich je nach Typ und Zustand unterschiedlich verwerten. Manche eignen sich besser für den Export, andere für Händler oder Auktionshäuser.
Gleichzeitig gibt es auch Projekte, bei denen ein Gesamtverkauf oder eine vollständige Verwertung durch einen externen Partner sinnvoll sein kann. In solchen Fällen geht es nicht nur um den Verkauf selbst, sondern um eine geordnete Abwicklung auf Dienstleistungsbasis, also um Sicherstellung, Organisation, Bewertung und Koordination der Verwertung.
Gerade in Insolvenzverfahren oder bei komplexen Betriebsauflösungen kann das, abhängig von Zeit, Umfang und rechtlichen Rahmenbedingungen, eine von mehreren sinnvollen Möglichkeiten sein.
Ob eine Komplettverwertung oder Einzelverkäufe besser sind, hängt letztlich immer vom Einzelfall ab.
Wie Preise überhaupt entstehen
Die Preisbildung auf dem Gebrauchtmarkt ist kein fixer Wert, sondern das Ergebnis vieler Einflüsse.
Während Neupreise vom Hersteller bestimmt werden, ergibt sich der Gebrauchtpreis aus dem Zusammenspiel von Angebot, Nachfrage, Zeitpunkt, Zustand und Zielgruppe. Ausschlaggebend sind reale Transaktionen, also das, was jemand tatsächlich bereit ist zu bezahlen.
Wichtige Einflussfaktoren sind Vergleichswerte, technischer Zustand, Standort, Demontageaufwand, Verkaufskanal und die aktuelle Marktlage.
Man sollte jedoch vorsichtig sein, wenn man sich bei der Bewertung ausschließlich auf Online-Angebote verlässt. Preise, die man auf Plattformen sieht, sind häufig Wunschpreise – also Beträge, die sich Verkäufer vorstellen, nicht zwingend das, was tatsächlich bezahlt wird.
Ein erfahrener Kollege sagte einmal sinngemäß zu uns:
„Der Preis auf einer Online-Plattform ist oft der, den jemand gern hätte. Denn wäre er realistisch, wäre das Objekt schon verkauft.“
Preisfaktoren und Marktmechanismen
Die Preisbildung auf dem Sekundärmarkt ist von vielen Faktoren abhängig:
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Alter, Steuerung und Softwarestand
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Hersteller und Markenimage
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Logistik- und Transportkosten
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Marktlage und Konjunktur
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Nachfrage im In- oder Ausland
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Standort und Demontageaufwand
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Zustand, Vollständigkeit und Wartung
Ein und dieselbe Maschine kann auf verschiedenen Wegen ganz unterschiedliche Ergebnisse bringen. Je nachdem, ob sie im Inland verkauft, exportiert oder versteigert wird.
Warum der Gebrauchtmarkt für Sachverständige so wichtig ist
Für die Bewertungspraxis liefert der Gebrauchtmarkt oft reale Daten und Vergleichswerte.
Er zeigt, was tatsächlich bezahlt wurde, nicht nur, was am Papier steht. Deshalb orientieren sich Sachverständige bei der Ermittlung von Verkehrswerten und Liquidationswerten häufig an beobachteten Transaktionen, Preisentwicklungen und eigenen Markterfahrungen.
Ein Bewertungsergebnis ist keine Schätzung aus dem Bauch, sondern das Resultat aus Marktbeobachtung, Erfahrung, Recherche und Kommunikation mit Händlern, Auktionshäusern und anderen Marktteilnehmern.
Warum Gutachten helfen können
Gerade im Gebrauchtmarkt kann der scheinbare Preis eines Objekts stark vom tatsächlichen Wert abweichen. Ein Gutachten hilft, diese Diskrepanz zu erkennen und fundierte Entscheidungen zu treffen.
Für Banken, Leasinggesellschaften, Insolvenzverwalter:innen und Unternehmen ist ein Gutachten mehr als nur eine Zahl. Es schafft Transparenz, Nachvollziehbarkeit und eine objektive Grundlage für wirtschaftliche Entscheidungen.
Doch ein Gutachten ist noch mehr: es ist eine Bestandsaufnahme des Unternehmensvermögens, eine Inventur und oft die erste strukturierte Übersicht über das, was tatsächlich vorhanden ist. Gerade in unübersichtlichen oder zeitkritischen Situationen, etwa bei Sanierungen, Restrukturierungen oder Insolvenzen, kann diese systematische Erfassung den entscheidenden Überblick schaffen.
Ein professionelles Gutachten kann außerdem helfen:
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bei der strategischen Verwertung von Maschinen, Anlagen oder Betriebsausstattung
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zur Absicherung gegenüber Auftraggebern, Gerichten oder Versicherungen
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bei der Dokumentation von Sanierungsmaßnahmen
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für interne Entscheidungen, etwa bei Investitionen, Verkäufen oder Restrukturierungen
Kurz gesagt: ein Gutachten ersetzt kein Bauchgefühl, sondern liefert Fakten, Marktverständnis und Sicherheit und ist häufig der erste Schritt zu klaren, nachvollziehbaren und wirtschaftlich sinnvollen Entscheidungen.
Checkliste: Die passende Verkaufsstrategie finden
Diese unverbindliche Checkliste soll helfen, den optimalen Weg für eine Verwertung zu planen – egal ob in der Insolvenz, bei Leasingrückläufern oder Betriebsauflösungen.
Eine klare Strategie entscheidet oft über den Unterschied zwischen Liquidation und Werterhalt.
Fazit
Der Sekundärmarkt (oder Gebrauchtmarkt) ist ein dynamisches Umfeld, das sich ständig verändert. Für Sachverständige ist er eine unverzichtbare Informationsquelle, für Banken und Insolvenzverwalter:innen ein wichtiger Faktor für fundierte Entscheidungen.
Denn nur wer den Markt kennt, kann Werte richtig einschätzen und genau das ist die Grundlage jedes guten Gutachtens.
In den letzten Jahren hat sich der Gebrauchtmarkt stark weiterentwickelt. Neue Plattformen, spezialisierte Anbieter und digitale Marktplätze haben eine bisher nicht gekannte Transparenz geschaffen. Für uns Sachverständige bedeutet das bessere Vergleichsmöglichkeiten, verlässlichere Marktdaten und mehr Einblick in reale Transaktionen.
Aber auch für Käufer und Verkäufer hat sich vieles verändert. Der Zugang zu gebrauchten Maschinen, Anlagen und Betriebsausstattung ist einfacher, breiter und effizienter geworden.
Was früher von wenigen Marktteilnehmern bestimmt wurde, ist heute ein vielfältiges, internationales Netzwerk. Diese Entwicklung eröffnet neue Chancen, fördert den Wettbewerb und trägt dazu bei, dass Werte nachvollziehbarer und Märkte lebendiger werden.