Erst kürzlich haben wir in einem Beitrag über die Wertvernichtung in der Gastronomie berichtet. Dabei ist uns bewusst geworden, dass auch ein anderes Thema im Alltag der Bewertung immer wieder Fragen aufwirft: der reale Marktwert gebrauchter Büromöbelund Büroausstattung. Aus unserer früheren Tätigkeit in der Industrie-Verwertung wissen wir, wie herausfordernd es ist, realistische Werte für gebrauchte Büroeinrichtungen zu ermitteln. Diese Erfahrung fließt heute in unsere Arbeit als Sachverständigefür die Bewertung von Anlage- und Umlaufvermögen ein. Wir beobachten die Märkte laufend und wissen, worauf es bei einer fundierten Bewertung ankommt.

Was alles dazugehört

Wenn wir von Büromöbel und Ausstattung sprechen, meinen wir nicht nur Schreibtische, Drehstühle und Rollcontainer. Zur Büroausstattung gehören auch Teeküchen, Ablageregale, Empfangspulte, Beleuchtungssysteme, Teppiche, Trennwände, Pflanzenarrangements, Garderoben oder Besprechungstische, also die gesamte Einrichtung, die ein Büro nutzbar und funktional macht.

Viele dieser Gegenstände sind auf den jeweiligen Standort zugeschnitten oder baulich integriert. Eine Teeküche, die millimetergenau in eine Nische passt, lässt sich an einem anderen Ort kaum wiederverwenden. Ebenso sind Trennwände oder Empfangsbereiche oft Maßanfertigungen, die beim Abbau an Wert verlieren oder gar nicht mehr montierbar sind.

Immer häufiger lassen sich Unternehmen Sonderlösungen oder komplette Regalsysteme fertigen, vom Schreibtisch mit integrierter Winkelkombination bis zum raumhohen Einbauregal. Das sieht am ursprünglichen Standort perfekt aus, hat aber am freien Markt kaum noch Verwendungsmöglichkeiten. Auch Sonderfarben können zur Hürde werden. Ein Unternehmen, das fünfzig Schreibtische in Firmenrosa bestellt hat, wird wohl nur schwer einen Käufer finden, der diese Farbe ebenfalls will.

Gebrauch, Abnutzung und Mode

Büromöbel und Ausstattung sind Gebrauchsgegenstände. Sie werden täglich, oft über viele Jahre hinweg, intensiv genutzt. Tische, Stühle und Regale werden bewegt, belastet und verschoben. Das hinterlässt Spuren wie Kratzer, Kantenbeschädigungen, Polsterabnutzung oder Verfärbungen durch Licht und Reinigung. Selbst hochwertige Möbel altern optisch und technisch.

Was heute als modern und hochwertig gilt, kann in wenigen Jahren veraltet wirken. Dunkle Oberflächen und matte Materialien waren bis vor kurzem im Trend. Ob das in fünf Jahren noch gefragt ist, bleibt offen. Der Markt reagiert stark auf solche Stil- und Farbtrends, wodurch die Nachfrage nach bestimmten Serien rasch sinken kann.

Der Gebrauchtmarkt – groß, unübersichtlich und gesättigt

Der Markt für gebrauchte Büroausstattung ist massiv überversorgt. In ganz Europa werden laufend Büros verkleinert, modernisiert oder geschlossen, was dazu führt, dass riesige Mengen an Möbeln und Einrichtung auf den Markt kommen.

Viele Unternehmen verschenken oder entsorgen ihre Ausstattung schlichtweg, weil sich der Aufwand eines Verkaufs nicht lohnt. Auf Plattformen wie Willhaben oder eBay finden sich zahllose Angebote, vom kompletten Konferenzraum bis zur Küchenzeile, oft zu Spottpreisen oder sogar kostenlos. Selbst gepflegte Markenmöbel finden kaum Käufer, weil das Angebot schlicht zu groß ist.

Der Gebrauchtmarkt ist zudem uneinheitlich. Ein identischer gebrauchter Schreibtisch kann je nach Anbieter zwischen fünfzig und fünfhundert Euro angeboten werden. Ein objektiver Marktwert oder Verkehrswert lässt sich daraus kaum ableiten. Für uns als Sachverständige bedeutet das, Vergleichswerte sind schwierig zu finden, und Bewertungen müssen oft auf Erfahrungswerten, Marktbeobachtungen und Plausibilitätsprüfungen basieren.

Designermöbel – Ausnahme mit Einschränkungen

Natürlich gibt es Ausnahmen. Designermöbel von Herstellern wie Vitra, USM oder Bene behalten je nach Zustand einen gewissen Wert und Wiederverkaufsreiz. Diese Möbel gelten als langlebig, hochwertig und designbeständig.

Doch auch hier ist Vorsicht geboten. Der Käuferkreis ist klein, und nicht jedes Modell wird über Jahre hinweg nachgefragt. Zudem sind viele Stücke auf spezielle Farben oder Konfigurationen abgestimmt, was den Wiederverkauf erschwert. Ein stark genutzter Designerstuhl bleibt in der Regel am Ende trotzdem ein Gebrauchsgegenstand und kein Sammlerobjekt.

Verwertungsmöglichkeiten – Einblick aus der Praxis

Während unserer früheren Tätigkeit bei führenden Industrie-Auktionshäusern haben wir zahlreiche Büroeinrichtungen und komplette Standorte abgewickelt. Diese Erfahrungen helfen uns heute, Bewertungen praxisnah und marktorientiert durchzuführen.

Die Verwertungsmöglichkeiten variieren, von klassischen Online-Portalen bis hin zu Umzugs- und Rückbauunternehmen, die Gebrauchtmärkte betreiben. Diese Unternehmen übernehmen bei Büroauflösungen komplette Einrichtungen, bereiten sie auf und verkaufen sie weiter. Die Preise liegen dort meist über dem typischen Gebrauchtmarkt, da die Möbel geprüft, gereinigt und geliefert werden. Für Käuferinnen und Käufer ist das attraktiv, für Verkäuferinnen und Verkäufer bedeutet es allerdings meist, dass der Ankaufspreis entsprechend niedrig ausfällt.

Auch Industrieverwerter und Auktionshäuser bieten ganze Büroeinrichtungen an. Hier entscheiden Zustand, Marke, Abbau und Transportaufwand über den erzielbaren Liquidationswert.

Ein oft unterschätzter Punkt ist die Beschreibung der Objekte. Je besser ein Artikel beschrieben ist, desto höher ist die Chance auf einen erfolgreichen Verkauf. Eine gute Beschreibung sollte immer enthalten, was genau angeboten wird, welche Größe oder Abmessungen vorliegen, wie alt die Objekte ungefähr sind, welche Mängel oder Gebrauchsspuren bestehen und ob besondere Funktionen wie elektrische Höhenverstellung vorhanden sind. Auch der Herstellername sollte immer angegeben werden, sofern bekannt.

Wir haben auf Auktionsplattformen Fälle erlebt, die deutlich zeigen, wie viel Potenzial in einer sauberen Beschreibung steckt. Bei der Verwertung eines Bürostandorts wurden die Positionen als einfache Sets mit dem Titel Büroausstattung angeboten. Auf den Fotos war jedoch klar zu erkennen, dass sich darin hochwertige Markenobjekte befanden, ein Besprechungstisch von Vitra, USM Regale und weitere Designermöbel. Vom Hersteller war im Beschreibungstext kein Wort zu finden. Ob die Suchmaschine das erkannt hat und potenzielle Käufer die Auktion überhaupt gefunden haben, ist fraglich. Mit einer klaren Detailbeschreibung wären diese Stücke wahrscheinlich deutlich besser aufgefallen und hätten vermutlich auch einen höheren Preis erzielt.

Solche Beobachtungen aus unserer früheren Zeit helfen uns heute, Bewertungen realistisch und marktnah vorzunehmen. Denn wir wissen, wie stark Information, Präsentation und Transparenz den Marktwert beeinflussen können.

Rückblick: Alpine Bau – eine lehrreiche Erfahrung

Ein Beispiel aus unserer früheren Tätigkeit verdeutlicht das sehr gut. Im Zuge der Insolvenz der Alpine Bau waren wir mit der Verwertung eines gesamten Bürokomplexes beauftragt. Die Büros waren hochwertig ausgestattet mit Schreibtischen, Rollcontainern, Lampen, Schränken, Sesseln und Peripherie.

Wegen der großen Menge haben wir die Räume zunächst als Sets aufgenommen und mit höheren Startpreisen in die Auktion gebracht. Das Ergebnis war ernüchternd, es gab kaum Gebote. Nach Rücksprache mit der Insolvenzverwaltung haben wir die Strategie geändert und die Startpreise auf 1 Euro gesetzt, mit einem verdeckten Mindestpreis, unter dem kein Zuschlag erteilt wurde. Diese Auktion wurde ein voller Erfolg.

Die niedrigen Startpreise sorgten für Bewegung und Wettbewerb, die Bieterzahl stieg deutlich, und viele Zuschläge lagen am Ende nahe oder über dem geschätzten Verkehrswert. Diese Erfahrung zeigt, dass Marktmechanismen nicht immer rational sind und dass psychologische Faktoren beim Erzielen des Wertes eine entscheidende Rolle spielen.

Eine Ode an das Handwerk

Trotz aller wirtschaftlichen Realitäten darf man eines nicht vergessen. Die Herstellung von Büromöbeln und Büroausstattung ist ein beeindruckendes Handwerk, das Erfahrung, Präzision und technisches Wissen vereint. Hinter vielen Produkten stehen große Unternehmen mit hoher Fertigungstiefe, qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und jahrzehntelange Erfahrung.

Diese Branche ist hart umkämpft, geprägt von Innovation, Kostenbewusstsein und internationalem Wettbewerb. In den letzten Jahren drängen zunehmend Hersteller aus anderen Ländern auf den europäischen Markt, die hochwertige Büroausstattung zu deutlich günstigeren Preisen anbieten. Möglich ist das durch günstigere Produktionsbedingungen, niedrigere Material und Lohnkosten sowie effizientere Lieferketten. Diese Entwicklung verstärkt den Preisdruck auf etablierte Markenhersteller und beeinflusst damit auch den Wert gebrauchter Möbel, da der Preisunterschied zwischen Neu und Gebrauchtware oft kleiner wird.

Gerade deshalb steckt hinter der Herstellung vieler Markenprodukte sehr viel technisches Know how und Hirnschmalz. Es braucht Materialien, die lange halten, Lacke und Oberflächenbeschichtungen, die unzählige Arbeitsstunden, das Abstellen heißer Kaffeebecher oder auch einmal das Aufstützen und Sitzen auf dem Tisch aushalten. Gute Möbel sind so konzipiert, dass sie den täglichen Belastungen des Büroalltags über Jahre standhalten und trotzdem funktional und optisch ansprechend bleiben. Dennoch entstehen in dieser Branche Produkte, die im besten Fall jahrzehntelang halten.

Gerade wenn einem kleinere Gebrauchsspuren nichts ausmachen, können viele Möbel über Generationen hinweg genutzt werden. In unseren Bewertungen begegnen uns immer wieder Schiebetürenschränke aus den 1980er und 1990er Jahren, die noch heute im Einsatz sind, ein stiller Beweis für die Qualität und Langlebigkeit dieser Branche.

Fazit

Der Markt für gebrauchte Büromöbel und Ausstattung ist komplex, gesättigt und schwer einzuschätzen. Viele Objekte verlieren nicht deshalb an Wert, weil sie qualitativ schlecht wären, sondern weil sie zu speziell, zu aufwendig oder schlicht zu zahlreich sind.

Für Banken, Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter sowie Unternehmen gilt, eine fundierte Bewertung durch unabhängige Sachverständige schafft Klarheit über den tatsächlichen Verkehrs- oder Liquidationswert, nicht über den emotionalen oder ursprünglichen Anschaffungspreis. Denn am Ende zählt nicht, was etwas einmal gekostet hat, sondern was es heute am Markt tatsächlich wert ist und ob sich der Aufwand einer Verwertung lohnt.